Nach einer klassischen Auffassung in der Psychoanalyse nimmt das Gesetz im Vater Gestalt an. Als Verbot (des Inzests) drückt es sich einigermaßen klar aus. Doch auch die Mutter bringt ein Gesetz hervor, nur ist ihr Gesetz unklar, spricht eine Sprache von Lust und Leiden in mehrdeutigen Worten, um nicht ein Verbot, sondern eine oft verwirrende Matrix geschlechtlicher Ambiguität einzurichten.
Geneviève Morel untersucht in ihrer Studie dieses Gesetz der Mutter. In einer Kombination aus klinischen Darlegungen und theoretischen Ausführungen arbeitet sie heraus, wie ein Kind sich vom mütterlichen Gesetz befreien kann, ohne dass notwendigerweise der Vater dabei ins Spiel kommt.
Morels Buch ist die bislang ausführlichste und klinisch kenntnisreichste Studie zu einem viel zitierten Zentralbegriff des späten Lacan, dem Sinthom. Diese meist kreative Version eines Symptoms erlaubt dem Subjekt, die oft erdrückenden Elemente des Gesetzes der Mutter mit einer lebendigen Positionierung im Sexuellen zu verknüpfen.
Biographisches:
Geneviève Morel ist Psychoanalytikerin in Paris und Lille. Sie lehrt im Rahmen der Gruppierungen
Savoir et Clinique und ALEPH sowie in der Psychiatrie-Ausbildung der Universität Lille. Als Autorin hat sie u. a.
Ambiguités sexuelles. Sexuation et psychose (Paris, Anthropos, 2016) veröffentlicht.
Anna-Lisa Dieter ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet derzeit im Exzellenzcluster
Kulturelle Grundlagen von Integration der Universität Konstanz.